sich selbst verlieren und längst verloren haben.
der 40l sack voller erde lastet schwer auf meinen schultern, droht, mich umzuwerfen, mich fallen zu lassen. dabei hatte ich vor einem guten jahr diese 25kilo mehr noch auf den rippen. wie konnte ich damit rumlaufen, ohne zu stürzen, ohne darunter einzubrechen?
mir ist schwindelig, ich habe kopfschmerzen, hunger. aber ich grabe weiter, wühle die erde durch, richte die letzte ruhestätte meines nie gekannten opas wieder her, denn ich will, dass er in frieden ruhen kann. er musste mit 15 jahren in den krieg ziehen und hat dort fast sein leben lassen müssen.
wir haben etwas gemeinsam.
ich bin auch in den krieg gezogen und ich war ebenfalls 15 jahre alt, als die schlacht begann. die schlacht gegen mich selbst. ist es nicht unfair, gegenüber all diesen menschen, die für ihr land, für ihre mitmenschen gekämpft haben, aufgeben zu wollen..?
ihr name war olga. sie ist fast 99 jahre alt geworden, doch kurz vor ihrem geburtstag, ist sie gegangen. sie ist die älteste, die ich hier finden kann, in diesen reihen, in denen seit jahrzehnten menschenleben ruhen dürfen.
sein name war andreas. er ist fast 2 jahre alt geworden, doch kurz vor seinem geburtstag, ist er gegangen. hat er gehen müssen. hat er eine erinnerung, an die zeit auf dieser welt? sieht er bilder vor sich, hallen worte in seinem kopf, die er noch lange nicht verstanden hatte? er ist der jüngste, den ich hier finden kann.
mein name befindet sich auf keinem dieser grabsteine. auf keinem. und genau darin liegt der fehler. auch ich könnte an diesem wundersamen ort sein, auf diesem hof voller frieden. ich wäre 17 jahre alt geworden. jahre voller erinnerungen, voller bilder und worte. voller sinn und sinnlosigkeit.
ich hatte heute spaß. ganz wirklichen, ehrlichen spaß. ich habe gelacht und gezeigt bekommen, was liebe ist. F., er ist hier bei mir. er liegt jetzt im bett, schläft, träumt. vielleicht von einer welt, ohne angst. ohne zweifel. ohne sorgen. ohne soziale phobie. ich weiß nicht, wovon er träumt, aber ich lasse ihn in seiner zwischenwelt alleine, denn ich kann nicht schlafen. wieder einmal. mein kopf ist voller gedanken. voller wirrer fetzen, die untergehen in wieder neuen sätzen, die keinen sinn ergeben.
"du hast heute zu viel gegessen!"
"unterdrücke das hungergefühl!"
"morgen nimmst du midro tee!"
"ein joint wäre jetzt toll!"
"morgen reißt du dich mehr zusammen!"
"schneid dich auf! blute aus, du fettes schwein!"
"verdränge die erinnerungen an ihn!"
"fang endlich an zu leben!"
"schlaf doch endlich ein!"
lasst mich in ruhe. alle. am liebsten würde ich aufhören zu denken, zu fühlen, zu atmen, zu leben.
R.I.P.
Zera
17 jahre alt
eingeschläfert im februar 2011
ich konnte mich nicht von ihr verabschieden, konnte ihr nicht mehr sagen, wie viel sie mir gegeben hat, wie viel sie mir beigebracht hat.
du fehlst mir, du fehlst hier.
es ist eines unserer letzten gemeinsamen photos. sommer 2010.
wenn ich ein wort mit dir assoziieren müsste, wäre es FREIHEIT.
(übrigens hatte ich da ca. 73kilo, also etwa 10 mehr, als jetzt.)
Julia, meine Liebe.
AntwortenLöschenEs macht mich so traurig, dass hier zu lesen.
Ich finde dafür keine passenden Worte, tut mir Leid. Ich will, dass du weißt, dass ich dich verstehe und bei dir bin. Pass bitte auf dich auf, ja ? <3 Ich hab dich sehr lieb.